Dr. Alexander Scheuch über interdisziplinäres Arbeiten im Jungen Kolleg und darüber hinaus

Dr. Alexander Scheuch startete zum Sommersemester 2022 eine Professur für Bürgerliches Recht, Handels-, Gesellschafts- und Zivilprozessrecht an der Universität Bonn. Zu seinem Abschied aus dem Jungen Kolleg der Akademie erzählt er, wie das interdisziplinäre Miteinander im Jungen Kolleg auch seine Arbeitsweise prägt.

Portätfoto Dr. Alexander Scheuch

Dr. Alexander Scheuch, Foto: Benedikt Steinmann

Herr Dr. Scheuch, sie haben einen Ruf an die Universität Bonn erhalten und haben dort zum Sommersemester 2022 eine Professur für Bürgerliches Recht, Handels-, Gesellschafts- und Zivilprozessrecht angetreten – herzlichen Glückwunsch! Damit endete jedoch leider endgültig Ihre Zeit im Jungen Kolleg der Akademie, dem Sie seit 2017 – zuletzt noch als assoziiertes Mitglied – angehörten.

Das Junge Kolleg legt Wert darauf, dass seine Mitglieder auch über den Tellerrand der eigenen Disziplin schauen – konnten Sie diesen interdisziplinären Ansatz für sich nutzen?

Ein klares „Ja“. Durch die Arbeit im Jungen Kolleg bin ich mit Themenfeldern in Berührung gekommen, die ich sonst möglicherweise nie für mich entdeckt hätte. Wahrscheinlich noch wichtiger war es jedoch, ganz allgemein ein Gefühl für die Chancen und Herausforderungen interdisziplinärer Arbeit zu bekommen. Als Beispiele: Wie identifiziert man Schnittmengen, die sich mit der Forschung einer Informatikerin oder eines Ökonomen ergeben? Wie stellt man fest, wie sich die Perspektiven auf einen bestimmten Aspekt unterscheiden? Und wie einigt man sich eigentlich auf ein gemeinsames Vokabular, um über Fragen zu diskutieren?

Stichwort „Big Data“: Eigentlich nicht unbedingt ihr Fachgebiet und trotzdem nun Teil Ihrer Arbeit. Wie kam es dazu und was fasziniert sie daran?

Die Geschichte dahinter ist ein schönes Beispiel für die Vernetzung zwischen Akademie und Jungem Kolleg. Ich wurde schon unmittelbar nach meiner Aufnahme ins Kolleg von Prof. Katharina Morik angesprochen, die einen Lehrstuhl für Künstliche Intelligenz an der Uni Dortmund innehat. Sie war auf der Suche nach einem Rechtswissenschaftler, der im Rahmen einer Tagung dem nichtjuristischen Publikum erklären sollte, was Daten aus rechtlicher Sicht sind. Davor hatten mich solche Fragen eher am Rande interessiert. Ich bin dann aber schnell tiefer in diesen spannenden Bereich eingetaucht und forsche inzwischen zu diversen Aspekten. Faszinierend ist vor allem, dass Daten einerseits Objekt von rechtlichen Regeln sein können, andererseits aber auch Instrument der Rechtsanwendung. Der erste Punkt ist zum Beispiel betroffen, wenn Daten über Staatsgrenzen hinweg verkauft werden. Für den internationalen Warenhandel gibt es ein völkerrechtliches Übereinkommen von 1980. Da findet man aber natürlich nichts zum Datenhandel. Kann man diese Regeln trotzdem anwenden? So etwas müssen wir als Juristen uns nun fragen. Und zum zweiten Punkt: Wäre es eigentlich denkbar, dass in Zukunft Rechtsstreitigkeiten nicht mehr von menschlichen Richterinnen und Richtern entschieden werden, sondern von einer wie auch immer gearteten künstlichen Intelligenz? Zumindest muss man sich Gedanken darüber machen, wo hier die „roten Linien“ verlaufen.

Sie waren zuvor an der Universität Münster am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Zivilprozessrecht und Gesellschaftsrecht tätig – worauf liegt Ihr Fokus bei der neuen Stelle in Bonn?

Auf der Stelle in Bonn decke ich letztlich sehr ähnliche Themenfelder ab. Das ist schön, weil man an vielen interessanten Fragen „dranbleiben“ kann. In der Endphase der Habilitation und während der Lehrstuhlvertretungen war es schwer, Zeit zum Forschen zu finden. Das wird in Bonn nun hoffentlich wieder ein Stück weit anders werden. Ich habe noch viele Ideen in meiner Schreibtischschublade. Unter anderem möchte ich den Fokus in meiner wirtschaftsrechtlichen Forschung auf Nachhaltigkeitsaspekte und auf die rechtlichen Rahmenbedingungen gesellschaftlichen Engagements richten. Das sind aus meiner Sicht beides hochaktuelle und wichtige Themen.

Viele Ihrer Veröffentlichungen und Vorträge befassen sich mit dem Thema „Sport“ – haben Sie hier Ihre private Leidenschaft in den Beruf mitgebracht?

Auf jeden Fall! Wenn man mich vor Beginn des Studiums gefragt hätte, in welcher Branche ich am liebsten arbeiten würde, hätte ich vermutlich den Profisport genannt. Dass das Talent für eine Karriere auf dem Feld bei Weitem nicht reichen würde, war mir dabei immer schon klar. Während meines Referendariats habe ich mich dann bewusst entschieden, mit Stationen in der Sportabteilung des Bundesinnenministeriums und beim 1. FC Köln praktische Erfahrungen in der Welt des Sportrechts zu sammeln. Die Materie ist eine spannende Mischung aus sehr verschiedenen Rechtsgebieten. An der Universität kommt mir das insofern zugute, als man damit viele Studierende ansprechen kann, um am Ende doch „normale“ juristische Probleme zu behandeln – nur eben am Beispiel des Sports. Darüber hinaus bin ich überzeugt, dass die abertausenden Sportvereine in Deutschland einen überaus wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten. Und da schließt sich dann der Kreis zum vorhin Gesagten: Es ist mir ein Anliegen zu untersuchen, inwiefern das Zivilrecht dies fördern kann.