„Das Education-Programm bedeutet mir sehr viel“
Lieber Herr Bleek, wie können wir uns Ihre Arbeit jetzt während des Festivals vorstellen?
Ich komme gerade aus einer Probe mit einem Klaviertrio, das heute Abend in der Duisburger Mercatorhalle auftritt. Die Musikerin und die beiden Musiker sind nicht allein auf der Bühne. Sie werden von 200 Schülerinnen und Schülern aus vier Schulen begleitet. Die Kinder und Jugendlichen aus Duisburg-Marxloh haben ein Schulhalbjahr lang im Unterricht die Choreografie zum 2. Klaviertrio von Dmitri Schostakowitsch für heute Abend einstudiert. Das ist nur eine von vielen Veranstaltungen, an denen Kinder und Jugendliche aus unseren Projekten beteiligt sind. Das Education-Programm ist im Laufe der Jahre zu einem integralen Bestandteil des Festivals geworden. Wir waren diesmal auch beim Eröffnungskonzert dabei.
Eigentlich ist nach dem Festival vor dem nächsten Festival. Das trifft auf Sie in diesem Jahr aber nur bedingt zu. Bei Ihnen stehen berufliche Veränderungen an, richtig?
Ja, das stimmt. Ich habe neben meiner Tätigkeit als Leiter des Education-Programms bislang als Honorarprofessor an der Folkwang Universität der Künste gelehrt. Zum Wintersemester wechsle ich auf eine Professur für Musikwissenschaft an die Robert Schumann Hochschule Düsseldorf. Darauf freue ich mich sehr.
Endet damit Ihre Tätigkeit für das Festival?
Nein. Das würde für mich aktuell nicht in Frage kommen. Das Education-Programm bedeutet mir sehr viel. Aber meine Rolle wird sich verändern. Ich arbeite in einem hervorragenden Team. Die Kolleginnen werden mehr Verantwortung und auch Leitungsfunktionen übernehmen.
Wie wird Ihre Arbeit für das Education-Programm in Zukunft aussehen?
Ich werde mich als eine Art Senior Advisor um die Bereiche Konzeption und strategische Weiterentwicklung kümmern. Wir merken, dass wir mit unseren Kapazitäten an Grenzen stoßen. Wir sind 2008 mit vier Workshops in einer Marxloher Grundschule gestartet. Heute arbeiten wir mit allen Schulen des Stadtteils ganzjährig zusammen, sind auch in den Kindertagesstätten aktiv und erreichen allein in Marxloh jährlich über 800 Kinder und Jugendliche. In den letzten Jahren kamen mit Bochum-Gerthe und Duisburg-Hochfeld zwei neue Stadtteile hinzu. Dieser Wachstumsprozess lässt sich mit begrenzten Ressourcen nicht beliebig fortsetzen. Stattdessen gilt es nun, das, was wir in Marxloh entwickelt haben, an Verantwortliche an anderen Orten weiterzugeben.
Das klingt wie der logische nächste Schritt. Wohin soll dieser Weg führen oder anders gefragt, was möchten Sie mit dem Education-Programm erreichen?
Ich wünsche mir, dass das Potenzial von kultureller Bildung stärker gesehen wird. Die Musik, mit der sich die Kinder in unseren Projekten intensiv beschäftigen, ist sehr komplex. Kaum jemand würde Bartóks Klavierzyklus Im Freien oder Ligetis Klavieretüden als geeignetes Lernmaterial für Grundschülerinnen und Grundschüler, noch dazu in einem sogenannten „sozialen Brennpunkt“ wie Marxloh, einstufen. Doch unsere Erfahrung zeigt, dass man gerade hier wunderbar mit diesen vielschichtigen Stücken arbeiten kann. Die Kinder haben ihre eigene Art, eine Beziehung zur Musik zu entwickeln, schulen ihr Wahrnehmungsvermögen und lernen zugleich auch viele andere Dinge. Ich würde mir wünschen, dass jedes Kind in der Schule die Möglichkeit hat, sich intensiv mit „anspruchsvoller“ Musik – und damit meine ich natürlich nicht nur klassische Klaviermusik – zu beschäftigen. Ich hoffe, dass unser Programm hierzu einen kleinen Beitrag leisten kann und sehe zugleich mit großer Besorgnis, wie der schulische Musikunterricht in Zeiten des Lehrermangels insbesondere im Bereich der Grund- und Gesamtschulen immer weiter unter Druck gerät.
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