Beobachtung des Klimawandels aus dem Weltraum: was wir heute (nicht) wissen.

Prof. Dr.-Ing. Jürgen Kusche, Universität Bonn

Kaum ein Bild verdeutlicht den globalen Klimawandel so ikonisch wie die Bedrohung kleiner Inselstaaten durch den Meeresspiegelanstieg, gesehen aus der Vogelperspektive. In der Tat repräsentiert der Anstieg des Meeresspiegels, mit dramatischen Folgen für weite Bevölkerungsgruppen, Ökosysteme, Landwirtschaft und Infrastrukturen, weit überwiegend eine Folge der globalen Erwärmung. Gleichermaßen kann er auch als gut messbarer Indikator verstanden werden – wie ein Thermometer an dem sich die Temperatur des Planeten leichter ablesen lässt als an der Erdoberfläche. Allerdings unterscheidet sich der Meeresspiegelanstieg regional teils deutlich vom globalen Mittel. Im Vortrag werde ich daher zunächst auf die Wirkungsketten bei gegenwärtigen Meeresspiegelschwankungen eingehen, die es auch bei regionalen Projektionen zu berücksichtigen gilt. Hier ist auch der Zusammenhang mit den kontinentalen Wasserspeichern wichtig: steigenden Meeresspiegeln stehen teils dramatische Rückgänge von Grundwasserspiegeln entgegen, und großräumige Niederschläge und Überflutungen wie zuletzt Australien in können sich als Fallen des Meeresspiegels auswirken.

Wir kennen die zeitlichen Veränderungen des Meeresspiegels seit etwa drei Dekaden recht genau aus Satellitenmessungen. Daneben ist es heute ebenfalls möglich, durch kryosphärische, ozeanographische, hydrologische wie auch geo-dynamische Prozesse hervorgerufene Wassermassenumverteilungen direkt aus der Analyse von Satellitendaten abzuleiten; herzu werden laufend die Veränderungen des Erdgravitationsfeldes ausgemessen. Im Vortrag werde ich auf die Limitationen der Messtechnik eingehen um dann aufzuzeigen, welche Fortschritte sich in den nächsten zwei Dekaden insbesondere aufgrund der rasanten Entwicklung satellitengetragener Quantensensoren abzeichnen.

Prof. Dr.-Ing. Jürgen Kusche hat an der Universität Bonn Geodäsie studiert und sich  dort 1996 promoviert. Von 2001 bis 2006 war er als Assistent und später Associate  Professor an der TU Delft tätig, um danach die Leitung der Sektion Erdgravitations-feld am Helmholtz-Zentrum GFZ Potsdam zu übernehmen. Seit 2009 hat er die Professur für Astronomische, Physikalische und Mathematische Geodäsie an der Universität Bonn inne. Seine wissenschaftlichen Interessen liegen in den Bereichen Erdsystemforschung mit Satellitenverfahren, Methodenentwicklung, Meeresspiegel, Klima und terrestrischer Wasserkreislauf.

Prof. Kusche hat 2008 – 2014 das DFG Schwerpunktprogramm Massentransporte und Massenverteilungen im System Erde als Sprecher koordiniert, in dem in der deutschen Community wichtige Grundlagen zur wissenschaftlichen Analyse neuartiger Satellitendaten gelegt wurden. In 2015 hat er sich als Gastwissenschaftler am Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena mit der Quantifizierung des Meeresspiegelbudgets beschäftigt. Prof. Kusche ist heute Sprecher der DFG Forschungsgruppe GlobalCDA, in der die Veränderungen globaler terrestrischer Wasserressourcen quantifiziert werden sollen, sowie des Sonderforschungsbereichs DETECT, der sich mit den Ursachen des Klimawandels auf der kontinentalen Skala beschäftigt.

Prof. Kusche hat an Studien zum globalen Meeresspiegelbudgets des World Climate Research Programms mitgearbeitet. Er berät die Europäische Raumfahrtagentur ESA unter anderem zu den wissenschaftlichen Zielsetzungen zukünftiger Satellitenmissionen.