Metallische Werkstoffe für und durch Additive Fertigung – Heterogenitäten als neuer Freiheitsgrad

Prof. Dr.-Ing. Christian Haase, Technische Universität Berlin

In unserem täglichen Leben verlassen wir uns selbstverständlich auf die richtige Auswahl und Eigenschaften metallischer Werkstoffe. Besteck aus rostfreiem Stahl, Kupferkabel sowie Triebwerkskomponenten aus Nickelbasissuperlegierungen garantieren Langlebigkeit, exzellente Stromleitung und den effizienten Betrieb von Flugzeugturbinen bei höchster Beanspruchung. Insbesondere für Hochleistungskomponenten wird dabei eine möglichst hohe Homogenität der Werkstoffstruktur angestrebt, die jedoch einzig durch präzise und zumeist energetisch aufwendige Prozessführung erreicht werden kann.

Bei der additiven Fertigung (engl. additive manufacturing, AM; umgangssprachlich als 3D-Druck bekannt) entstehen Komponenten direkt ohne weitere Formgebungsprozesse. Ähnlich zu Gusswerkstoffen weist die Werkstoffstruktur auf kleinen Längenskalen (Mikrostruktur) im additiv gefertigten Zustand allerdings aufgeprägte Heterogenitäten auf. Diese Heterogenitäten können sowohl positive als auch negative Einflüsse auf die Eigenschaften ausüben. Im Gegensatz zur konventionellen Fertigung (z.B. Gießen, thermomechanische Behandlung) können sie jedoch aufgrund des schichtweisen / additiven Materialauftrags hinsichtlich ihrer Art und ihres Charakters präzise gesteuert und innerhalb des Bauteils örtlich beliebig angeordnet werden. Hieraus ergeben sich einerseits neue Freiheitsgrade beim Werkstoffdesign und bisher unerschlossene Anwendungsbereiche. Andererseits führen die Designfreiheit hinsichtlich der Geometrie additiv gefertigter Bauteile, die flexibel einstellbaren Prozessparameter und die Auswirkungen auf die Werkstoffstruktur bei variabler chemischer Zusammensetzung zu einem hochdimensionalen Suchraum, der neue methodische Ansätze zur Identifizierung optimaler Kombinationen bedarf. Hierzu kommt der Verbindung aus Hochdurchsatzexperimenten, Werkstoffsimulationen und Methoden des maschinellen Lernens eine
besondere Bedeutung zu.

Prof. Dr.-Ing. Christian Haase studierte bis 2011 Maschinenbau mit der Vertiefung Werkstofftechnik an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Anschließend folgte seine Promotion (Abschluss 2015) im Bereich Metallkunde und Metallphysik an der RWTH Aachen. Währenddessen erfolgten mehrere durch Stipendien geförderte Forschungsaufenthalte (u.a. Monash University, Melbourne, Australien). Von 2016 bis 2024 leitete er die Forschungsbereiche ‚Integrative Werkstoffsimulation‘ und‚Werkstoffe für die Additive Fertigung‘ im Institut für Eisenhüttenkunde der RWTH Aachen. Seit Anfang 2024 leitet er den Lehrstuhl Materials for Additive Manufacturing an der Technischen Universität Berlin. Aktuelle Arbeitsbereiche umfassen das Mikrostrukturdesign moderner Hochleistungslegierungen, Additive Fertigung metallischer Werkstoffe, mehrskalige Werkstoffsimulation, Hochdurchsatz-Werkstoffentwicklung sowie die Kombination aus Experiment, Simulation und maschinellem Lernen zur Werkstoffbeschreibung und -entwicklung.

Christian Haase war von 2021 bis 2024 Mitglied des Jungen Kollegs der Nordrhein- Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.