Steinerne Zeugen digital: Ein neues Langzeitvorhaben im Akademienprogramm

Prof. Dr. Lucia Raspe, Salomon Ludwig Steinheim-Institut Essen

In Deutschland haben sich mehr als 2.000 jüdische Friedhöfe vom 11. Jahrhundert an erhalten. Kein anderes europäisches Land besitzt – trotz großer Verluste – eine vergleichbar alte, reiche und vielschichtige Überlieferung. Diese Friedhöfe zählen zu den ältesten Zeugnissen der Sepulkralkultur in Deutschland. Ihre Erhaltung, Dokumentation, Erschließung und Vermittlung ist eine Aufgabe von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung, doch haben sie bisher nicht die Aufmerksamkeit gefunden, die ihnen als religiös-kulturellen Orten der Erinnerung, als Ausdruck individueller und korporativer jüdischer Identität sowie als historischen, literarischen und materiellen Quellen zukommt.

Hier setzt das Projekt „Steinerne Zeugen digital: Deutsch-jüdische Sepulkralkultur zwischen Mittelalter und Moderne – Raum, Form, Inschrift“ an, das seit 2023 im Akademienprogramm gefördert wird. Auf 24 Jahre angelegt, zielt es darauf ab, die Inschriften einer repräsentativen Auswahl jüdischer Friedhöfe aus dem deutschsprachigen Raum seit dem 16. Jahrhundert zu edieren und zugleich die Grabmale in ihrer Materialität und ihrer topographischen Anordnung zu erfassen und zu analysieren, um so ein durchgängig digitales Text- und Bildkorpus zu erstellen und dauerhaft zu sichern. Damit können die Grabinschriften ebenso wie die Grabmalgestaltung und die räumlichen Zusammenhänge auf den Friedhöfen erstmals systematisch diachron wie synchron analysiert und für weitere wissenschaftliche Fragestellungen erschlossen werden.

Das Projekt wird vom Salomon Ludwig Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte an der Universität Duisburg-Essen gemeinsam mit Judaistik, Bauforschung und Digitalen Denkmaltechnologien der Universität Bamberg durchgeführt und von AWK und BAdW begleitet. Der Vortrag wird Ziele und Arbeitsprogramm erläutern, Einblicke in die interdisziplinäre Zusammenarbeit geben und erste Ergebnisse vorstellen.

Prof. Dr. Lucia Raspe ist seit 2021 Professorin für deutsch-jüdische Geschichte und Direktorin des Salomon Ludwig Steinheim-Instituts an der Universität Duisburg-Essen. Sie studierte Judaistik und Nordamerikanistik in Tübingen, Chapel Hill (North Carolina), Berlin und Jerusalem und war zunächst Wissenschaftliche Mitarbeiterin, dann Assistentin am Seminar für Judaistik der Johann Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main, wo sie 2003 promovierte und sich 2011 habilitierte.

Nach Lehrstuhlvertretungen in Bochum, Potsdam und München und Forschungsaufenthalten in Philadelphia, Jerusalem, Paris und Oxford war sie von 2015 bis 2019 Kuratorin im Team der neuen Dauerausstellung am Jüdischen Museum Berlin. Schwerpunkte ihrer Forschung liegen im Bereich des aschkenasischen Judentums in Mittelalter und Früher Neuzeit.