Quantencomputer und MAGIC

Prof. Dr. Christof Wunderlich, Universität Siegen

Im Zentrum von Quantum Science – angesiedelt hauptsächlich in Physik, Informatik, Mathematik und Chemie – steht einerseits die Erforschung der verblüffenden, oft nicht intuitiven Gesetze der Quantenphysik. Dies geschieht meist in vivo, d. h. Forscher präparieren einzelne Quantensysteme in deterministischer Weise und beobachten dann deren Eigenschaften und Dynamik. Dieses Vorgehen galt lange als unmöglich, was sich in der Feststellung des Quantenphysikers und Nobelpreisträgers Erwin Schrödingers widerspiegelt: „... we never experiment with just one electron or atom ...“. Andererseits führen Phänomene der Quantenphysik zu einem neuen Paradigma der Informationsverarbeitung; dieses bildet die Grundlage für die Verwirklichung neuer Methoden für die Datenverarbeitung, für höchstempfindliche Messungen und für die sichere Kommunikation.

Universelle Quantencomputer würden zu bislang unmöglichen neuen Berechnungen in vielen Bereichen der Wissenschaft und Industrie führen. Beispiele für deren Anwendung mit, aus heutiger Sicht in ihrer enormen Tragweite kaum zu unterschätzenden Auswirkungen, liegen z. B. in der Physik, Chemie und den Materialwissenschaften, wo sie grundlegend neue Einsichten ermöglichen werden. Zum andern ermöglichen Quantencomputer, in einem industriellen Umfeld Berechnungen, die unmittelbar zu disruptiven Technologien führen. Die Realisierung von universell einsetzbaren Quantencomputern bedarf einer langfristigen Perspektive. Hingegen sind Berechnungen mit Hilfe von gut kontrollierten Quantensystemen, die eine spezifische, für klassische Computer (für alle praktischen Belange) nicht lösbare Fragestellung adressieren, in greifbare Nähe gerückt.

Einzelne atomare Ionen sind ideale Qubits (die elementaren Schalteinheiten eines Quantencomputers), da sie von der Natur selbst in immer perfekter Qualität bereit- gestellt werden. Durch Anwendung von MAgnetic Gradient Induced Coupling (MAGIC) werden Ionen-Qubits mittel Hochfrequenzstrahlung hochpräzise gesteuert, d. h. elementare Quantengatter können mit hoher Güte und geringem Übersprechen ausgeführt werden und Quanten-Algorithmen (z. B. zum verstärkenden Lernen) effizient implementiert werden.

Prof. Dr. Christof Wunderlich leitet seit 2004 den Lehrstuhl Experimentalphysik (Quantenoptik) an der Universität Siegen, Deutschland. Er gründete die eleQtron GmbH, das erste deutsche Start-Up für Quantencomputing-Hardware, im Jahr 2020. Sein wissenschaftlicher Schwerpunkt liegt auf der Erforschung grundlegender Fragen der Quantenphysik und der Quanten-Informationsverarbeitung mit einzelnen Atomen. Er habilitierte sich mit der Entwicklung neuer Konzepte für Experimente mit gespeicherten Ionen bei P. E. Toschek und W. Neuhauser an der Universität Hamburg. Zuvor arbeitete er mit Serge Haroche (Nobelpreis 2012, Ecole Normale Supérieure, Paris, Frankreich) und hatte das Privileg, an Experimenten zur Hohlraum-Quantenelektrodynamik zu grundlegenden Fragen der Quantenphysik teilzunehmen. Er initiierte die Untersuchung von Molekülen in intensiven Laserfeldern bei Theodor W. Hänsch (Nobelpreis 2005, Max-Planck-Institut für Quantenoptik, Garching) und wurde für seine Forschung zum Tunneln durch lichtinduzierte molekulare Potentiale an der Ludwig- Maximilians-Universität München promoviert. Christof Wunderlich studierte Physik an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (Vordiplom) und an der State University of New York at Stony Brook, USA (Master of Arts).