Das erste Konzil von Nicaea: Zur Aktualität eines 750 Jahre zurückliegenden Ereignisses
Prof. Dr. Karl-Heinz Menke, Universität Bonn
Die kaum zu überschätzende Bedeutung des ersten Konzils von Nicaea (325) liegt darin, dass mit ihm (a) eine problematische Symbiose von Kirche und Staat (Konstantin als „Bischof der äußeren Angelegenheiten“) beginnt; (b) die Institution der „Ökumenischen Konzilien“ wenn nicht geschaffen, so doch begründet wurde; (c) der Inhalt des christlichen Glaubens erstmals verbindlich definiert wird; und (d) das in West und Ost liturgisch rezitierte Symbolum Nicaenum bzw. Nicaeno-Constantinopolitanum die gespaltene Christenheit verbindet.
Allerdings erschließt sich die Aktualität des Nicaenum nicht nur im Blick auf diese vier Faktoren. Die Mitte des christlichen Glaubens – vom Horos des Nicaenum mit dem griechischen Axiom ‚homooúsios tõ patrí‘ bezeichnet – wird zunehmend relativiert bzw. als Ursache für die Verwechslung von Wirklichkeit und Begriff, von Antijudaismus oder religiöser Intoleranz denunziert. Es geht nicht um eine Wiederauflage der hinreichend widerlegten Harnack-These von der Hellenisierung des Christentums. Aber vielfach vereinigen sich historische Kritik, antimetaphysische Philosophie und interreligiöser Dialog in dem Bestreben, die neutestamentlichen Christologien von ihrer griechischen Verbegrifflichung zu „befreien“, das Phänomen ‚Jesus Christus‘ ohne Trinitätslehre zu erfassen und die Einzigkeit und Heilsuniversalität Jesu Christi zu „deabsolutieren“. Angesichts dieses Befundes empfiehlt sich ein Rückblick auf die genuin soteriologische Ausgangsfrage der zwischen den Theologenschulen von Antiochia und Alexandria ausgefochtenen Antworten der postum als ökumenisch bezeichneten Konzilien. Verkürzt gesagt: Die Aktualität des Nicaenum liegt nicht nur in seiner Wirkungsgeschichte; sie liegt auch in seinem Potenzial zur Überwindung der gegenwärtigen Krise des Christentums.
Prof. Dr. Karl-Heinz Menke, Professor lic. phil., Dr. theol., Dr. theol. habil., geboren am 28. Januar 1950 in Fürstenau (bei Osnabrück). 1968 – 1978 Studium der Altphilologie, Philosophie und Kath. Theologie in Münster, Paris und Rom. 1974 Priesterweihe in Rom. 1974 lic. phil. und 1975 lic. theol. 1978 Promotion zum Dr. theol. an der Gregoriana in Rom. 1979 – 1984 Seelsorger im Bistum Osnabrück. Auszeichnung u. a. mit dem Malipiero-Preis der G-Verlage Italiens. 1986 – 1990 Wissenschaftlicher Assistent und Habilitand am Lehrstuhl für Dogmatik und Ökumenische Theologie (Prof. Dr. Gisbert Greshake) an der Universität Freiburg. 1990 Habilitation und Rufe an die theol. Fakultäten in Paderborn und Bonn. 1.10.1990 Ernennung zum Professor (C 4) für Dogmatik und Philosophische Grundfragen der Theologie an der Universität Bonn. 2002 – 2004 Dekan, 2004 – 2008 Prodekan der Kath.-Theol. Fakultät der Univ. Bonn. 1991 – 2020 Ber. Mitglied verschiedener Kommissionen der Deutschen Bischofskonferenz. 2005 Inkardination in das Erzbistum Köln. 2008 Rufe nach Freiburg und Münster abgelehnt. 2014 und 2020 jeweils für fünf Jahre von Papst Franziskus in die Internationale Theologenkommission (Rom) berufen. 2017 Überreichung des „Joseph-Ratzinger-Preises" durch Papst Franziskus. Gastprofessuren in Trient, Rom, Oxford und Lublin.
Karl-Heinz Menke ist seit 2001 ordentliches Mitglied in der Klasse für Geisteswissenschaften der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.