Rückblick auf die Veranstaltung „Unruhige Zeiten – Wie geopolitische Brüche die Wissenschaft in NRW herausfordern“

Am Montagabend, 22. September 2025, haben Fachleute aus Wissenschaft und Politik in der Akademie über die Auswirkungen der aktuellen Geopolitik auf die Forschung in Nordrhein-Westfalen diskutiert. Die Veranstaltung wurde gemeinsam von der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste, der Landesrektorenkonferenz der Universitäten und der Johannes-Rau-Forschungsgemeinschaft organisiert.


Unsere Welt verändert sich. Autokratische Regime sind auf dem Vormarsch. Die Zahl der Kriege und gewaltsamen Konflikte nimmt zu. Langjährige Verbündete werden zu unsicheren Partnern. Was bedeuten diese Entwicklungen für die Wissenschaft und Forschung in Nordrhein-Westfalen? Und wie gehen Hochschulen und Forschungseinrichtungen in unserem Land damit um? Diesen Fragen widmete sich die Veranstaltung „Unruhige Zeiten – Wie geopolitische Brüche die Wissenschaft in NRW herausfordern“, zu der die Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste, die Landesrektorenkonferenz der Universitäten und die Johannes-Rau-Forschungsgemeinschaft am Montagabend nach Düsseldorf eingeladen hatten.

„Wissenschaftsfreiheit ist essenziell für eine demokratische Gesellschaft. Wir alle, die Akademie, die Landesrektorenkonferenz der Universitäten und die Johannes-Rau-Forschungsgemeinschaft, sorgen uns angesichts der zunehmenden geopolitischen Spannungen um dieses hohe Gut. Deshalb möchten wir mit dieser Veranstaltung gemeinsam ein Zeichen setzen“, betonte Akademie-Präsident Prof. Dr. med. Dr. h.c. Dr. h.c. Gerd Heusch in seiner Begrüßung.

Grußwort der NRW-Wissenschaftsministerin Ina Brandes

Ina Brandes, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen: „Wissenschaftsfreiheit ist ein entscheidender Standortfaktor. Sie ist Schlüssel zu Fortschritt und Demokratie und macht Nordrhein-Westfalen für internationale Talente attraktiv. Mit den Innovationsprofessuren und unserem Rückkehrprogramm für herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bieten wir Forscherinnen und Forschern von Weltruf ein exzellentes Arbeitsumfeld und fördern zugleich den internationalen Austausch. Davon profitieren auch unsere Studentinnen und Studenten, die von den klügsten Köpfen der Welt lernen.“ 

Impulsvorträge von fünf renommierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern

In Impulsvorträgen zeigten fünf renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wie eng globale Entwicklungen mit der Arbeit von Forscherinnen und Forschern in Nordrhein-Westfalen verwoben sind. Sie nahmen dabei aufgrund ihrer beruflichen Biografie unterschiedliche Perspektiven ein und berichteten von persönlichen Auswirkungen auf ihre Forschung.

„Bestimmte Datenbanken werden uns künftig nicht mehr zur Verfügung stehen“, nannte Prof. Dr. Manfred Bayer eine Folge der aktuellen politischen Entwicklung in den USA. Gleichzeitig machte der Rektor der Technischen Universität Dortmund deutlich, dass die Vereinigten Staaten nach wie vor ein wichtiger Partner für die Wissenschaft in Nordrhein-Westfalen seien. Im Unterschied zu Russland, mit dem die Forschungseinrichtungen hierzulande nach dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 alle Beziehungen abgebrochen hätten.

Prof. Dr. Oliver Witzke, Direktor der Klinik für Infektiologie am Universitätsklinikum Essen, brachte China ins Spiel. „Wir haben eine jahrzehntelange Kooperation mit Wuhan“, berichtete der Wissenschaftler. Die Hauptstadt der zentralchinesischen Provinz Hubei dürfte den meisten als Ursprungsort des Coronavirus bekannt sein. Während der Pandemie sei diese enge Zusammenarbeit sehr hilfreich gewesen, betonte Witzke. Doch nun würden auch diese Beziehungen aufgrund der schwierigen politischen Situation vor Ort abebben.

Das bedeutet allerdings nicht, dass sich China ähnlich wie die USA aus internationalen Forschungsstrukturen zurückzieht. Doch es sind andere Partner, mit denen die asiatische Großmacht kooperiert. „Der alte Westen baut seine Strukturen der internationalen Zusammenarbeit ab. Gleichzeitig baut China seine Beziehungen aus“, erläuterte Prof. Dr. Anna-Katharina Hornidge, Direktorin des JRF-Instituts German Institute of Development and Sustainability (IDOS).

Als Professorin für Human-Centred Security am Horst-Görtz Institut für IT-Sicherheit der Ruhr-Universität Bochum beleuchtete Prof. Dr. Angela Sasse das Thema Wissenschaftssicherheit, das Wissenschaftsministerin Ina Brandes als die Kehrseite der Wissenschaftsfreiheit bezeichnete.

Prof. Dr. Carolin Victoria Schneider, Professorin für Prävention und Genetik von metabolischen Erkrankungen der Leber am Universitätsklinikum Aachen, vertrat als Mitglied des Jungen Kollegs der Akademie und Teilnehmerin des NRW-Rückkehrprogramms die Perspektive junger Forscherinnen und Forscher, die in ihrer Karriereplanung oft ganz unmittelbar von den aktuellen geopolitischen Umbrüchen betroffen sind.

Für einen besonderen Höhepunkt sorgte die Keynote von Prof. Dr. Reinhold Ewald, Experimentalphysiker, ehemaliger ESA-Astronaut und Raumfahrtbotschafter des Landes NRW. Er schilderte, wie sich die Raumfahrt zu einem erfolgreichen Beispiel für internationale Zusammenarbeit entwickelt hat – und wie die aktuellen politischen Brüche auch diese langjährigen vertrauensvollen Kooperationen in Frage stellen.

Podiumsdiskussion mit Wissenschaft und Politik

Die anschließende Podiumsdiskussion mit Ministerin Ina Brandes, Prof. Dr. Manfred Bayer, Prof. Dr. Anna-Katharina Hornidge, Prof. Dr. Angela Sasse, Prof. Dr. Carolin Victoria Schneider, Prof. Dr. Oliver Witzke und Prof. Dr. Reinhold Ewald wurde von dem Wissenschaftsjournalisten Dr. Jan-Martin Wiarda moderiert. Auch wenn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die aktuellen geopolitischen Auswirkungen auf die Wissenschaft in Nordrhein-Westfalen aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachteten, waren sie sich in einem Punkt einig: Trotz aller Unsicherheiten sind starke Kooperationen für erfolgreiche Wissenschaft unverzichtbar. Das gilt für den internationalen Austausch, aber auch für die Zusammenarbeit in Europa, Deutschland und Nordrhein-Westfalen. Neben der wissenschaftlichen Kooperation betrifft das auch ganz handfeste Aspekte, etwa die Zusammenarbeit zwischen den Hochschulen beim Thema IT-Sicherheit oder auf europäischer Ebene zum Aufbau gemeinsamer Forschungsdatenbanken.

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