Neue Mitglieder 2022: Andreas Schmitten (Klasse der Künste)
Im Prinzip hat Andreas Schmitten schon immer Kunst gemacht. Schon als Kind hat er mit Leidenschaft Modelle gebaut. Die vorgegebenen Bausätze von Lego und Co. waren ihm schnell zu langweilig. Er gestaltete eigene Miniaturwelten. „Wenn ich mehrere Tage nicht handwerklich arbeite, bin ich unglücklich. Das war schon immer so“, erzählt der 42-Jährige, der sich selbst nicht als Künstler, sondern als Bildhauer bezeichnet. Sein Blick fällt dabei auf einen mit weißem Lack überzogenen Kopf aus Bronze. Das rund 800 Kilogramm schwere Körperfragment thront auf einem eisernen Sockel, perfekt ausgeleuchtet in einem der strahlend weißen Räume der Düsseldorfer Kunstgalerie Schönewald. Schmitten stellt hier regelmäßig aus und hier treffen wir ihn auch zum Gespräch.
Doch auch wenn die Kunst schon immer zu seinem Leben gehörte, brauchte er erst den Anstoß von außen, damit er sie zu seinem Beruf machte. Nach dem Abitur schrieb sich der gebürtige Mönchengladbacher zunächst für die Fächer Philosophie und Kunstgeschichte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf ein. Er war ein guter Student, doch das Studium begeisterte ihn nicht. „Die Fächer waren austauschbar. Ich hätte auch Medizin studieren können“, erzählt der Bildhauer, der im Neusser Stadtteil Selikum lebt und dort Wohnen und Arbeiten an einem Ort verbindet. Die Betreuung seiner Kinder teilt er sich mit seiner Frau. „Jeder von uns kümmert sich drei Tage pro Woche um die Kinder“, erzählt der 42-Jährige und dabei hört man ihm an, wie viel Freude ihm das Vatersein macht.
Während des Studiums wohnte Schmitten mit einer Studentin der Düsseldorfer Kunstakademie zusammen. Mit ihr besprach er das Dilemma um sein Studium und sie schlug ihm vor, um neuen Input zu bekommen, einen Philosophiekurs an der Kunstakademie zu besuchen. Akademie und Universität kooperieren in einigen Fachbereichen. Auch an der Akademie gibt es Angebote für Geisteswissenschaftler. Schmitten versuchte es und lernte den Schweizer Philosophen Paul Good kennen.
„Wenn ich mehrere Tage nicht handwerklich arbeite, bin ich unglücklich. Das war schon immer so.“
Good war von 1983 bis 2008 Professor für Philosophie an der Kunstakademie. Seine Studierenden philosophierten aber nicht nur in der Theorie, sie fertigten auch praktische Arbeiten an. Und so hielt Good – um es mit Schmittens Worten zu sagen – eines Tages eine seiner „Basteleien“ in den Händen. Dem Philosophie-Professor war sofort klar, dass er es mit einem besonderen Talent zu tun hatte. „Er hat mir dazu geraten, mich an der Kunstakademie zu bewerben“, erzählt Schmitten, der fortan als Meisterschüler von Georg Herold Bildhauerei studierte.
An der Kunstakademie machte Schmitten eine Erfahrung, für die er bis heute dankbar ist. Er machte das, was er schon immer gemacht hatte. Doch plötzlich waren seine „Basteleien“ eine gesellschaftlich akzeptierte Tätigkeit. „Man sitzt und bastelt den ganzen Tag diese Dinger und das ist ok“, beschreibt er seine Gedanken von damals. Ob er mit diesen „Dingern“ irgendwann einmal Geld verdienen würde, war ihm zu diesem Zeitpunkt egal. „Ich hätte auch abends im Kino Karten abgerissen, um über die Runden zu kommen“, sagt er.
Doch so kam es nicht. Stattdessen wird Schmitten, der 2017 mit dem Falkenrot Preis ausgezeichnet wurde, heute als Senkrechtstarter in der Kunstszene gehandelt. Er stellt nicht nur in der Galerie Schönewald aus, sondern auch in der Galerie König in Berlin. Außerdem sind seine Arbeiten aktuell in Wuppertal zu sehen, wo sie Tony Cragg in seinem Skulpturenpark Waldfrieden zeigt.
Dass er den Schritt an die Kunstakademie wagte und dann später auch den Mut fand, als Bildhauer zu arbeiten, verdankt Schmitten – da ist sich der 42-Jährige sicher – auch seiner alleinerziehenden Mutter. „Sie hat mir ganz viel Selbstvertrauen mitgegeben“, sagt er. Den Satz „Mach was du willst, es wird immer richtig sein“, habe er bestimmt 1000 Mal gehört.
Heute beschäftigt der Bildhauer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in seinem Atelier. Seine künstlerische Arbeit kennt keine gestalterischen Grenzen. Er erschafft winzige Miniaturwelten genauso wie imposante Skulpturen. Zu seinem Repertoire gehören aber auch Wandreliefs, Zeichnungen, Skulpturen und sogar ganze Installationen. „Im Atelier wird genäht, gestickt, lackiert, geschweißt und gesägt“, zählt er auf.
Ums Geld geht es ihm dabei immer noch nicht – jedenfalls nicht zuvorderst. Aber um das Gefühl, etwas mit Bestand zu schaffen. „Es ist das Größte für mich, wenn ein Museum eine Arbeit von mir kauft“, erklärt er. Denn nur so könne er sicher sein, dass der Gegenstand, den er geschaffen haben, zumindest in naher Zukunft nicht weggeschmissen oder eingeschmolzen werde.
Sein Blick fällt dabei erneut auf den überdimensionierten Bronze-Kopf. „Vielleicht macht irgendjemand in 100 Jahren eine Ausstellung und packt diese Sachen aus“, sagt Schmitten und ergänzt: „Mich kennt dann vielleicht keiner mehr aber dann ist es sicher, ich habe Kunst geschaffen.“