Neu in der Akademie: Prof. Dr. Steffen Siegel (Klasse der Künste)

Wer schafft künftig unser Abbild der Welt?: Schon mehrfach wurde das Ende des fotografischen Zeitalters vorausgesagt. Prof. Dr. Steffen Siegel erforscht, ob sich mit DALL-E & Co. diese Prophezeiung nun erfüllt. Spoiler: Seien Sie wachsam – aber warten Sie lieber noch, bevor Sie die Kamera entsorgen.

Porträt Prof. Dr. Steffen Siegel

Foto: Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste / Engel-Albustin 2024

Mein erstes Geld verdiente ich ... mit dem Tippen von Kreuzworträtsel-Aufgaben. Mein Vater hat nebenberuflich für Zeitschriften und Verlage Kreuzworträtsel erstellt. Ich habe mein Taschengeld aufgebessert, indem ich die Vorlagen ins Reine getippt habe – und ganz nebenbei lernte ich Schreibmaschine schreiben.

Heute bin ich ... Professor für Theorie und Geschichte der Fotografie. Außerdem bin ich seit 2024 Vorsitzender des Vorstandes des Zentrums für Fotografie in Essen.

Wenn mich Menschen außerhalb meines Fachbereichs fragen, was ich beruflich mache, antworte ich ..., dass ich erforsche, wie sich unser wohl wichtigstes Kommunikationsmedium gerade verändert. Technische Bilder, stehend und bewegt, haben inzwischen eine mindestens so große soziale Bedeutung wie Text. An ihnen orientieren sich gesellschaftliche, wirtschaftliche, politische, wissenschaftliche und künstlerische Praktiken. Generative Bilderzeugung mit Künstlicher Intelligenz wirft nun einmal mehr die recht alte Frage nach dem Wahrheitsgehalt von Bildern auf. Wir stehen unstrittig vor einem großen Umbruch und ich versuche wissenschaftlich besser zu verstehen, wie dieser Umbruch verläuft und wohin die fotografische Entwicklung gehen könnte. Genau diese Frage hatte bereits vor einem Jahrhundert László Moholy-Nagy gestellt.

Dass ich Wissenschaftler werden wollte, wusste ich ... als ich in den 1990ern in Konstanz studierte. Die geistig offene und liberale Atmosphäre dort habe ich sehr genossen. Unsere Professorinnen und Professoren haben uns zu kritischer Auseinandersetzung und offenem Diskurs angehalten. Die unerschöpfliche Bibliothek war vollständig freihand aufgestellt, da war kein einziges Buch im Magazin weggeschlossen. All das wollte ich länger als fünf Jahre erleben.

An meiner Arbeit schätze ich besonders ... die Begegnung und Auseinandersetzung mit der je nächsten Generation, die auf Bilder neugierig ist. Außerdem kennt mein Fach global betrachtet wenig Hierarchien. Etwas zugespitzt gesagt: Forschungsbeiträge aus Kuwait oder Brasilien sind ebenso interessant wie die aus den USA oder Großbritannien.

Ich hätte gerne schon mit 30 gewusst, dass ... auch eine Arbeit, die viel Spaß macht, nicht 100 Prozent des Lebens ausmachen darf. Zwischen Freitagabend und Montagfrüh versuche ich daher, keine dienstlichen E-Mails mehr zu lesen.

Ich bin vermutlich das einzige neue Mitglied der Akademie, das ... als Jugendlicher mehrere Jahre auf dem Rennrodelschlitten mit beinahe 100 Sachen auf der Eisbahn unterwegs war.

 

Prof. Dr. Steffen Siegel

Professor für Theorie und Geschichte der Fotografie an der Folkwang Universität der Künste in Essen

Klasse der Künste
Ordentliches Mitglied

Forschungspreis für Photographiegeschichte (2014), Forschungspreis Geisteswissenschaften International (2017), Max-Kade-Professor, Georgetown University, Washington, D.C. (2024)