Neu in der Akademie: Prof. Dr. Katrin Kogman-Appel (Klasse für Geisteswissenschaften)

Von der Logik kulturellen Wandels: Handgefertigte hebräische Gebetsbücher waren eine frühe Form öffentlicher Kunst – bis der Buchdruck diese Kunst und mit ihr ganze Gesellschaften veränderte. Mit diesen Prozessen befasst sich Prof. Dr. Katrin Kogman-Appel am Institut für Jüdische Studien der Universität Münster. Zu ihrer Berufung fand sie schon als Neunjährige, in der Wiener Unterwelt.

Porträt Prof. Dr. Katrin Kogman-Appel

Foto: Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste / Engel-Albustin 2024

Mein erstes Geld verdiente ich ... sehr unspektakulär. In den 1970er Jahren gab es für Mädchen vor allem Babysitten und Nachhilfe.

Heute bin ich ... Judaistin und Kunsthistorikerin. Ich unterrichte und forsche zur Buchgeschichte, vor allem zur jüdischen Buchgeschichte des Mittelalters und der frühen Neuzeit.

Wenn mich Menschen außerhalb meines Fachbereichs fragen, was ich beruflich mache, antworte ich ..., dass ich mich mit etwas beschäftige, von dem die meisten nicht einmal wissen, dass es existiert; mit hebräischen Handschriften aus dem Mittelalter, von denen es einige zum Teil reich ornamentierte, aber auch illustrierte Exemplare gibt. Das sind großformatige Gebetsbücher, die in Synagogen zu Feiertagen für die Öffentlichkeit aufgelegen haben. Ich würde sagen, sie waren eine primäre Form der öffentlichen Kunst. In der frühen Neuzeit kam der Buchdruck auf und auch damals hat es mitunter Vorbehalte gegenüber der neuen Technologie gegeben. Aufwendig und schön gestaltete Handschriften konnten oft (auch) als Statussymbol gelten, eine Funktion, die gedruckte Bücher nicht erfüllen konnten. Zudem gab es einzelne Gelehrte, die fürchteten, dass das Ritualgesetz, das immer sehr flexibel gehandhabt wurde, durch die Druckkultur versteinern könnte. Dafür mussten Lösungen gefunden werden. Ich bemühe mich zu verstehen, worin diese Lösungen bestanden haben und warum sie sich durchgesetzt haben.

An meiner Arbeit schätze ich besonders ..., dass mir niemals langweilig ist. Es gibt einen rabbinischen Aus- druck aus dem 16. Jahrhundert: „Gute Fragen sind die halbe Weisheit.“ Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kennen das Gefühl, wenn sie endlich hinter etwas kommen, über das sie viele Jahre nachgedacht haben.

Dass ich Wissenschaftlerin werden wollte, wusste ich ... schon als Kind. Mein Vater hatte mich als Neun- jährige zu einer römischen Ausgrabung in Wien mit- genommen. Es gab viele Ziegelsteine und Neonlicht, eigentlich war das total hässlich. Aber ich war fasziniert. Ich wollte auch etwas finden und mit altem Material arbeiten. Das mache ich nun.

Ich hätte gern schon mit 30 gewusst, dass ... die Digitalisierung möglich machen würde, großflächigere Fragen zu stellen, die nicht nur einzelne Handschriften betreffen, sondern zum Teil sehr große Gruppen von Handschriften. In den 1980er Jahren habe ich damit begonnen, eine Diasammlung solcher Schriften anzulegen, die nun verstaubt. Hätte ich damals gewusst, dass wir Handschriften nur wenige Jahre später scannen oder in wirklich guter Qualität digital fotografieren können, hätte ich das mit den Dias gelassen.

 

Prof. Dr. Katrin Kogman-Appel

Professorin für Jüdische Studien an der Universität Münster

Klasse für Geisteswissenschaften
Ordentliches Mitglied

Fellow am Institute for Advanced Studies der Hebräischen Universität in Jerusalem & am Institute for Advanced Study in Princeton, Alexander-von-Humboldt-Professur an der Universität Münster, 1. Vorsitzende im Fachverband Judaistik/Jüdische Studien/ Jüdische Theologie in Deutschland e. V.