Neue Mitglieder 2022: Bernd K. Fleischmann (Klasse für Naturwissenschaften und Medizin)
„Neugier“ – dieses Wort fällt im Gespräch mit Professor Dr. Bernd K. Fleischmann sehr häufig. „Ich war schon immer neugierig“, erzählt der Direktor des Instituts für Physiologie I der Universität Bonn. „Ich wollte verstehen, wie der Körper funktioniert.“ Ein Organ hat ihn dabei von Anfang an besonders fasziniert - schon damals, als er nach dem Studium als Assistenzarzt in der Inneren Medizin eines Krankenhauses gearbeitet hat. Dort habe er erlebt, wie schnell sich der Zustand von Patientinnen und Patienten mit Herzerkrankungen ändern könne. „In einem Moment sprichst du noch mit dem Patienten und im nächsten muss er defibrilliert werden“, erinnert sich der 64-jährige Institutsleiter.
„Ich war schon immer neugierig. Ich wollte verstehen, wie der Körper funktioniert.“
„Wenn das Herz nicht schlägt, funktioniert der Körper nicht mehr“, bringt es Fleischmann auf den Punkt. Doch warum ist das so? Warum regeneriert sich das Herz nach einer Schädigung nicht selbst? Schließlich hält der menschliche Körper ansonsten auch einiges aus. Diese Frage treibt den Bonner Physiologen bis heute um. „Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind noch immer die Todesursache Nummer 1 in Europa“, sagt der Mediziner. Zwar könne heute den meisten Patientinnen und Patienten nach einem Herzinfarkt akut geholfen werden. Viele würden aber später an einer Herzinsuffizienz, einer Herzschwäche, leiden. „Für eine weit fortgeschrittene Herzinsuffizienz gibt es keine kausale Therapie“, erklärt Fleischmann. Im schlimmsten Fall sind die Betroffenen auf eine Herztransplantation angewiesen. Genügend Spenderherzen gibt es nicht. In einer alternden Gesellschaft aber immer mehr Patientinnen und Patienten mit Herzerkrankungen.
„Die Schere geht weiter auf“, sagt der Physiologe, der gemeinsam mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach einer biologischen Lösung für das Problem sucht. Konkret wollen sie durch einen Infarkt geschädigte Herzmuskelzellen wieder zur Zellteilung animieren. Bislang ist ihnen das noch nicht gelungen, dafür konnte Fleischmann gemeinsam mit einem internationalen Forscherteam zeigen, dass sich die elektrische Weiterleitung in der Infarktnarbe mit Hilfe des Kopplungsproteins Connexin 43 verbessern lässt. Die Gefahr von lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen kann so reduziert werden.
Der Bonner Physiologe glaubt fest an den wissenschaftlichen Fortschritt, was er selbst vor allem auf seine Zeit in den USA zurückführt. Von 1991 bis 1995 hat er dort als Postdoktorand an der University of Pennsylvania zur glatten Muskulatur der Atemwege geforscht. Die amerikanische „Think positiv“-Mentalität und der dortige Zukunftsglaube haben ihn fasziniert.
„Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind noch immer die Todesursache Nummer 1 in Europa.“
Auch wenn sich Fleischmann letztlich gegen eine Karriere in den Staaten entschied, hat ihn die Zeit in den USA geprägt, genau wie sein Studium in Italien und die medizinische Arbeit in der Hämatologie am Universitätsklinikum in Nottingham. Seinen Studierenden und Doktoranden rät der 64-Jährige deshalb, unbedingt ins Ausland zu gehen. „Dort ist man auf sich alleine gestellt und muss schwierige Sachverhalte in einer fremden Sprache wiedergeben“, erklärt er. Das stärke das Selbstbewusstsein und helfe einem später, mit Niederlagen, die für den Physiologen zur Forschung dazu gehören, umzugehen.
Für Fleischmann selbst ging es von Pennsylvania zunächst an das Institut für Neurophysiologie der Universität zu Köln, wo er sich habilitierte, und dann weiter nach Bonn. Auch wenn man dem gebürtigen Augsburger bis heute seine süddeutsche Herkunft anhört, outet er sich im Gespräch als NRW-Fan – und zwar nicht nur beruflich, sondern auch privat. „Ich schätze die rheinländische Mentalität ‚Leben und Leben lassen‘“, verrät der zweifache Familienvater.
Das ist aber nur einer von vielen Gründen, warum der Physiologe in den vergangenen Jahren die Rufe diverser, auch internationaler Universitäten ausgeschlagen hat. „Bonn bietet mir sehr gute Arbeitsbedingungen“, erklärt der Institutsleiter. Sein Team arbeite hier nicht nur mit theoretischen, sondern auch mit klinischen Arbeitsgruppen zusammen. Eine Arbeitsgruppe der Herzchirurgie sei sogar direkt am Institut angesiedelt. „Wir machen Grundlagenforschung und versuchen Mechanismen zu verstehen“, sagt der Mediziner. Durch die Interaktion mit den klinischen Arbeitsgruppen würden er und sein Team aber unmittelbar miterleben, wie ihre Arbeit irgendwann einmal tatsächlich angewendet werden könnte. Das sei enorm motivierend.
Und da ist er wieder, der amerikanische Zukunftsglaube, dass man die Welt durch Forschung möglicherweise zu einem – wie es Fleischmann selbst formuliert – „better place“ machen kann.