Raumkonzeptionen. Zur Bedeutung von »Räumen« im antiken Mönchtum
Prof. Dr. Christian Hornung, Universität Bonn
Die Trennung gilt in der kirchenhistorischen Forschung als ein Konstitutivum des antiken Mönchtums. Ihre Kennzeichen sind eine soziale, topographische und im Lebensstil vollzogene Separation des Mönchs oder der Nonne von der „Welt“.
Diese schon klassische Formel soll im Rahmen des Vortrags differenziert und vor dem Hintergrund des in den Kultur- und Sozialwissenschaften intensiv diskutierten Spatial turn neu kontextualisiert werden. „Räume“ werden hiernach nicht mehr nur als einfache Größen interpretiert, die durch materielle Kategorien bestimmt sind, sondern wesentlich als soziale Konstituenten wahrgenommen, die komplex sind und in verschiedenen Dimensionen beschrieben werden. Der in der Kirchengeschichte bislang wenig rezipierte Spatial turn soll dabei neue Erkenntnisse über die Bedeutung des Raumes und der Trennung im antiken Mönchtum eröffnen.
Exemplarisch untersucht werden die hagiographische Schrift Vita Antonii des Athanasius von Alexandrien, die sog. Regula Pachomii sowie die Regula virginum des Caesarius von Arles. Durch sie treten östliches und westliches sowie männliches und weibliches Mönchtum in den Blick. Dabei wird deutlich, dass räumliche Dimensionen über die verschiedenen anachoretischen und koinobitischen Formen hinweg systematisch in das frühe Mönchtum integriert werden und es überhaupt erst konstituieren. Neben Enthaltsamkeit, Armut und Nahrungsverzicht sind sie Bestandteil einer monastischen Askese und als sozialer Rahmen wesentlich für eine hierarchische Strukturierung der asketischen Gemeinschaft.
In einer abschließenden Auswertung soll die Analyse räumlicher Dimensionen des antiken Mönchtums in den Kontext der neueren Institutionenforschung integriert werden.
Prof. Dr. Christian Hornung, geb. 1981, studierte von 2002 bis 2007 Katholische Theologie, Klassische Philologie und Germanistik in Bonn und Wien. Nach dem Ersten Staatsexamen wurde er im Jahr 2011 mit einer Arbeit über den römischen Primat im 4. Jahrhundert promoviert. Die Dissertation wurde mit dem Pax-Bank-Förderpreis für theologische Forschungs- beiträge ausgezeichnet. Von 2013 bis 2016 war er Mitglied im Jungen Kolleg der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste. Im Jahr 2014 habilitierte er sich im Fach Alte Kirchengeschichte und Patrologie an der Universität Bonn. Hornung nahm verschiedene Lehraufträge an den Universitäten Köln, Siegen und Erfurt wahr; im Sommersemester 2014 vertrat er den Lehrstuhl für Alte Kirchengeschichte, Patrologie und Christliche Archäologie an der Universität Münster. Von 2015 bis 2016 war er Heisenbergstipendiat der DFG an den Universitäten in Siegen und Washington, DC. Seit 2017 ist er Lehrstuhlinhaber für Alte Kirchengeschichte und Patrologie an der Universität Bonn sowie seit 2019 Direktor des Franz Joseph Dölger-Instituts. Er ist Prodekan der Katholisch-Theologischen Fakultät und wurde 2024 in das Fachkollegium Theologie der DFG gewählt.
Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der antiken Institutionen-, Sozial- und Askese- geschichte. Ausgehend von seiner Dissertation publizierte er verschiedene Beiträge zur frühen kirchlichen Rechts- und Disziplingeschichte. Im Umfeld der Habilitation zum Phänomen der Apostasie in nachkonstantinischer Zeit entstanden Arbeiten zu christlichen Identitätsbildungs- und Abgrenzungsprozessen von einer griechisch-römischen Umwelt. Die Arbeiten zur christlichen Askesegeschichte umfassen eine monographische Studie zur Asketisierung des Klerus und dem Einfluss monastischer Strömungen auf die Konstituierung des klerikalen Standes. In jüngerer Zeit setzt sich Hornung im Kontext kultur- und sozialwissenschaftlicher Diskurse mit Raumkonzeptionen im antiken Christentum auseinander.
Prof. Dr. Christian Hornung leitet das im Akademienprogramm geförderte Langzeitprojekt „Herausgabe des Reallexikons für Antike und Christentum (RAC)“.