Neuromorphes Computing – Energieeffizienz und Einsatz von KI
Prof. Dr.-Ing. Rainer Waser, RWTH Aachen
Die Informationstechnologie befindet sich im Wandel: An die Stelle der klassischen, be- fehlsbasierten Datenverarbeitung, bei der Algorithmen wie Rezepte zu deterministischen Ergebnissen führen, tritt zunehmend ein KI-basierter Ansatz. Dieser beruht auf maschinellem Lernen und der automatisierten Wissensextraktion aus Daten, wobei die Resultate probabilistischer Natur sind. Eine zentrale Herausforderung dieser Entwicklung ist der stark wachsende Energiebedarf moderner Computersysteme.
In unseren Projekten erforschen wir neuartige Bauelemente und Systeme für das neuromorphe Computing (NC), die das Potenzial haben, deutlich energieeffizienter zu arbeiten als herkömmliche Architekturen. Im Mittelpunkt steht die Entwicklung und Analyse redoxbasierter memristiver Elemente.
Der Vortrag skizziert die physikalischen Grundlagen dieser Bauelemente und zeigt, wie Materialwissenschaft und Elektrotechnik durch die beeindruckende Energieeffizienz des menschlichen Gehirns inspiriert werden – ein Thema, das im Rahmen der Neuro- wissenschaften intensiv untersucht wird. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse fließen in die Entwicklung künftiger Computer-Hardware ein, die wiederum in der Informatik und KI-Forschung Anwendung finden kann. Ich werde zeigen, wie ein solcher interdisziplinärer Ansatz – zwischen Neurowissenschaft, Materialforschung, Elektrotechnik und Informatik – entscheidend zur Gestaltung energieeffizienter neuromorpher Systeme beitragen kann.
Darüber hinaus werden exemplarische Anwendungen von KI vorgestellt sowie deren Chancen und Risiken auf individueller wie gesellschaftlicher Ebene diskutiert. Abschließend reflektieren wir die Frage, ob künftige KI-Systeme ein eigenes Bewusstsein entwickeln könnten – und schlagen damit den Bogen zurück zur Hirnforschung.
Rainer Waser promovierte 1984 in physikalischer Chemie an der Universität Darmstadt und arbeitete am Philips-Forschungslabor in Aachen, bis er 1992 zum Professor an der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik der RWTH Aachen und 1997 zum Direktor des Instituts für Elektronische Materialien am Forschungszentrum Jülich (am heutigen Peter Grünberg Institut) ernannt wurde. Er war Mitglied der Arbeitsgruppe „Emerging Research Devices” der ITRS und arbeitete mit bedeutenden Halbleiterunter- nehmen in Europa, den USA und Fernost zusammen. Seit 2002 war er Koordinator und Sprecher des Forschungsprogramms „Nanoelektronische Systeme in der Informations- technologie” innerhalb der nationalen Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft. Im Jahr 2007 war er Mitbegründer der Forschungsallianz Jülich-Aachen, Sektion „Fundamentals of Future Information Technology“ (JARA-FIT). Zusammen mit Professor Wuttig (Physik, RWTH) leitete er einen Sonderforschungsbereich zu resistiv schaltenden Chalkogeniden für die Elektronik der Zukunft (SFB 917), an dem 14 Institute innerhalb von JARA-FIT beteiligt waren und der von 2011 bis 2023 von der Deutschen Forschungs- gemeinschaft (DFG) gefördert wurde.
Im Jahr 2014 erhielt Rainer Waser den Leibniz-Preis der DFG für seine interdisziplinäre Arbeit zum Phänomen des redox-basierten resistiven Schaltens. Außerdem wurde ihm der Tsungming Tu Award 2014 vom Ministerium für Wissenschaft und Technologie (MOST) in Taiwan verliehen. Im Jahre 2019 initiierte er das bmbf-geförderte Strukturwandelprojekt „Neuroinspirierte Technologien der künstlichen Intelligenz für die Elektronik der Zukunft im Rheinischen Revier (NEUROTEC)“, in dem 13 JARA-FIT-Institute, die AMO GmbH und vier Industriefirmen aus der Region zusammenarbeiten. Seit August 2024 ist Rainer Waser nach einer dreijährigen Verlängerung im (Un)ruhestand.
Rainer Waser hat über 850 wissenschaftliche Artikel in Fachzeitschriften veröffentlicht und einen h-Index von 102 (ISI Web of Science, Juni 2025) erreicht.
Prof. Dr.-Ing. Rainer Waser ist seit 2006 ordentliches Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.