Digitale Geisteswissenschaften – Herausforderungen und Chancen
Prof. Dr. Dr. h.c. Andreas Speer, Universität zu Köln
Digitale Geisteswissenschaften sind eine Realität. So gibt es heute kein Akademieprojekt mehr ohne eine zentrale „digitale Komponente“. Allerdings kann von einer Komponente schon lange nicht mehr die Rede sein. Denn ging es vormals vor allem um die – mitunter nachträgliche – digitale Dokumentation der Forschungsergebnisse und deren Verfügbar- keit als Folge des fortschreitenden Medienwandels hin zu digitalen Formaten, so bestimmt Digitalität heute die Gesamtkonzeption und Methodologie eines Projekts von Anfang an, ist also integraler Bestandteil des Forschungsdesigns, ja macht bestimmte Forschungs- fragen erst möglich. Digitalität ist also weit mehr als Digitalisierung, d. h. aus technologischer Sicht die Überführung des Analogen in das Digitale. Konnte man die Digitalisierung noch als quantitative Extension bestehender Möglichkeiten begreifen, so setzt die Digitalität neue qualitative Rahmenbedingungen, die nicht mehr rückgängig gemacht oder ignoriert werden können. Darin liegen die Chancen wie die Herausforderung auch für die Geisteswissenschaften, die sich aktuell unter dem Eindruck neuer Technologieschübe zu verstärken scheinen. Diesen Fragen soll anhand ausgewählter Beispiele aus dem Akademienprogramm nachgegangen werden. Hierbei soll auch der Versuch einer Einordnung und einer Standortbestimmung unternommen werden.
Prof. Dr. Dr. h.c. Andreas Speer ist Professor für Philosophie an der Universität zu Köln und Direktor des Thomas-Instituts. Er studierte in Bonn Philosophie, Katholische Theologie, Philologie, Erziehungswissenschaften und Kunstgeschichte. 1986 wurde er promoviert. Thema seiner Promotionsarbeit war das Wahrheitsverständnis und die philosophische Denkform Bonaventuras. Speer habilitierte 1994 über Begründungsversuche einer „scientia naturalis“ im 12. Jahrhundert.
Zwischen 1995 und 2000 war Speer Heisenberg-Stipendiat der Deutschen Forschungs- gemeinschaft. Er hatte in dieser Zeit Gastdozenturen an der Universität Sofia, an der Biblioteca Vaticana, an der University of Notre Dame, sowie an der Katholieke Universiteit Leuven. Seine Ernennung zum außerplanmäßigen Professor für Philosophie in Köln folgte 1998, 2000 wurde er dann als ordentlicher Professor an die Universität Würzburg berufen.
Seit 2005 ist er Direktors des Thomas-Instituts und Inhaber des Lehrstuhls für mittelalter- liche Philosophie der Universität Köln. In diesem Zuge wurde er dann auch Direktor der Averroes latinus-Edition. Seit 2016 wird diese im Rahmen eines dreisprachigen Editions- projekts zu den naturphilosophischen Schriften des Averroes im Thomas-Institut fortgeführt.
2008 wurde an der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln die a.r.t.e.s. Forschungs- schule gegründet, die ab 2012 im Zuge der Dritten Runde der Exzellenzinitiative zur a.r.t.e.s. Graduate School for the Humanities Cologne ausgeweitet wurde und als deren Direktor Speer bis Anfang 2025 fungierte. Seit 2012 ist er Sprecher des Cologne Center for eHumanities (CCeH) und seit 2016 Sprecher der AG eHumanities der Union der Akademien.
Seit 2021 nimmt er für die Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste im Rahmen der NFDI (Nationale Forschungsdateninfrastruktur) die Verantwortung als Co-applicant und als Lead der Task Area Editions des Konsortiums Text+ wahr. Speer wurde am 1. Juli 2020 in den Senat der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) (Platz für Kunstgeschichte und Philosophie) gewählt. Seit 2023 ist er Mitglied der Senats-AG „Digitaler Wandel“.
Seit 2013 ist er ordentliches Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.